Rolle von Steuern in einer ERP- Transformation: s4/Hana und mehr Potenziale heben und Risiken minimieren
Steuern als Erfolgskomponente in einer ERP-Transformation
ERP-Systeme bilden die Basis für die Verwaltung und Steuerung wesentlicher Unternehmensprozesse. Angesichts dessen, dass SAP SE plant, die Wartung und Pflege von SAP ECC in 2027 einzustellen, befinden sich derzeit viele Unternehmen und Konzerne im Prozess der Umstellung auf S/4HANA - ein Prozess, der in Abhängigkeit von Umfang und Komplexität einige Jahre in Anspruch nehmen kann. Die im Zuge der Einführung entstehenden Herausforderungen und das Digitalisierungspotential bezüglich der Steuerfunktion werden allerdings oft unterschätzt. Wir erläutern, wie sich die Steuerabteilung in eine ERP-Transformation einbringen kann, um die erfolgreiche Implementierung aus der Steuerperspektive zu ermöglichen und nachgelagerte Komplikationen zu vermeiden.

Mehrwert der Einbindung der Steuerabteilung in einer ERP-Transformation: Compliance, (Kosten-)Effizienz, Qualität
Die vorrangige Maxime bei einem ERP-Transformationsprojekt muss sein, dass die steuerliche Compliance des Unternehmens nicht beeinträchtigt wird. Da zahlreiche steuerrelevante Prozesse auf Daten aus dem ERP-System zurückgreifen, kann eine ERP-Transformation diese Prozesse unmittelbar beeinflussen. Demzufolge erweist sich die verbreitete Annahme, dass Steuerprozesse im neuen ERP-System genauso funktionieren würden wie zuvor, sofern man "nichts anfasst", bei näherer Betrachtung oft als grundlegend falsch.
Die Modifikationen im ERP-System müssen allerdings nicht zwangsläufig negative Implikationen haben. Eine verbesserte Datenverfügbarkeit könnte es der Steuerabteilung ermöglichen, steuerrelevante Sachverhalte, die früher nur rückblickend adressiert wurden, zeitnah zu erkennen und proaktiv zu bearbeiten. Daher sollte die ERP-Transformation von der Steuerabteilung auch als Chance betrachtet werden, um Effizienzgewinne und Qualitätssteigerungen zu erzielen.
Der Schlüssel hierzu liegt darin, die Möglichkeiten der Digitalisierung voll auszuschöpfen und dafür die Steuerabteilung in das ERP-Transformationsprojekt aktiv einzubinden. Unsere Analysen haben ergeben, dass eine frühzeitige Einbindung von Steuer- und Rechtsexpertinnen und -experten in ERP-Transformationsprojekte die Implementierungszeit reduzieren und die effektiven Implementierungskosten um bis zu 30 % reduzieren kann.

Konsequenzen bei der Nichtbeachtung
Bei der Planung von ERP-Transformationsprojekten sind Unternehmen oftmals auf das “Big Picture” fokussiert und wünschen sich eine schnelle, reibungslose und möglichst kosteneffiziente Umsetzung des Projekts. Die Entscheider konzentrieren sich zumeist auf die operativen Bereiche, die zwingend notwendig sind und allokieren die Budgets mit entsprechender Priorität.
Steuerfindung, steuerliche Systemeinstellungen sowie Tax Reporting werden dabei von den ERP-Anbietern gerne als nachrangiges Thema angesehen. Dementsprechend werden Einstellungen oft nah am Standard gehalten und nicht auf die Feinheiten oder Spezifika des Unternehmens abgestimmt.
Als Folge werden häufig im Nachgang von der Steuerabteilung Fehler festgestellt, die unter Umständen erhebliche Auswirkung auf die steuerliche Compliance des Unternehmens haben. Dies kann entsprechende Strafzahlungen und rechtliche Konsequenzen mit sich bringen - mit negativen finanziellen Folgen - sowie zu steuerlichen Konsequenzen im In- und Ausland führen. Diese Folgen ergeben sich neben den materiell rechtlichen Besonderheiten der betroffenen Jurisdiktionen auch aus formalrechtlichen Anforderungen, wie Aufzeichnungs- und Nachweispflichten, Meldefristen etc. an die betroffenen Finanzbehörden.
Reaktive Versuche schnell Anpassungen in einem Live-System zu implementieren, bergen die Gefahr, dass das Customizing eine Komplexität annimmt, die zukünftige Instandhaltung und Erweiterungen erschwert. Ebenso wird das Fehlerpotential erhöht. Die Kosten für im Nachhinein vorzunehmende Fehlerbehebungen fallen durch die Arbeitskosten, zusätzliches Testing, zusätzliche Lizenzen und Downtime von Systemen sehr hoch aus. Der daraus resultierende interne Aufwand für das Tax Reporting wird dabei oft gar nicht mitbetrachtet.
Deshalb kann der Appell nur lauten, dass die Steuerabteilung eingebunden werden und sich selbst auch proaktiv einbringen muss. Ob nun mit eigenen Ressourcen oder mittels externer Berater sollte anhand der vorhanden zeitlichen Kapazitäten und vorhandener fachlicher Kompetenzen entschieden werden.


Die Rolle der Steuerabteilung im Projektverlauf
Die Steuerabteilung sollte stets eine wichtige Rolle im Projektverlauf spielen und in allen Phasen involviert sein, indem sie steuerliche und rechtliche Anforderungen und Potenziale identifiziert, Lösungsansätze bewertet und (mit)gestaltet sowie Implementierung, Testing und Go-Live begleitet. Obwohl keine ERP-Transformation 1:1 einer anderen gleicht, kann die Rolle der Steuerabteilung anhand folgender idealtypischer Schritte skizziert werden:

- Bestimmung des Zielbilds: Die Steuerabteilung ist an der Festlegung des Zielbildes für die Steuerfunktionen im ERP-System beteiligt. Dies umfasst insbesondere die für Steuern relevanten Daten, Prozesse und Technologien.
- Erstellung des Global Templates: Die Steuerabteilung ist an der Konzeption und Implementierung von Steuerfindungs-, Reporting- und Compliance-Lösungen im Global Template beteiligt. Die Steuerabteilung wirkt bei der Identifizierung der abzubildenden Transaktionsszenarien und der zusätzlichen Konten für die Abbildung der lokalen Steuersysteme mit.
- Dokumentation der Geschäftsbeziehungen: Die Steuerabteilung erfasst alle steuerlich relevanten Sachverhalte, die von einem Unternehmen eingangs- und ausgangsseitig ausgeführt werden, und stellt diese in einer Transaktionsmatrix dar. Die Steuerabteilung beurteilt die Sachverhalte aus steuerlicher Sicht und übersetzt die steuerliche Würdigung in die technische Abbildung, die vom ERP-System erwartet wird.
- Evaluierung der steuerlichen Anforderungen: Die Steuerabteilung evaluiert, ob alle steuerlichen Anforderungen mit den vom ERP-System gebotenen Funktionalitäten abgedeckt werden können und entscheidet, ob eine individuelle Erweiterung des ERP-Systems durch eigene Entwicklungen oder die Integration einer Drittanbietersoftware erforderlich ist.
- Lokalisierung: Die Steuerabteilung ist an der Lokalisierung des Global Templates für die einzelnen Länder oder Regionen beteiligt. Sie wägt die lokalen Anforderungen mit den zentralen Konsistenzanforderungen ab und stimmt die Abweichungen vom Global Template mit den lokalen Stakeholdern ab.
- Training, Testing, Cutover: Die Steuerabteilung ist an der Planung und Durchführung der Trainings, Tests und Cutover für das neue ERP-System beteiligt. Die steuerrelevanten Parameter werden in Testfälle überführt und dokumentiert. Die Steuerabteilung ist an den Integrationstests und End-to-End-Tests beteiligt und überwacht die Ergebnisse. Die Steuerabteilung unterstützt die Datenmigration und die Sperrung des alten Systems.
- Unterstützung nach dem Go-Live: Die Steuerabteilung ist an der Implementierung eines geeigneten Issue-Management-Prozesses beteiligt, um die nach dem Go-Live auftretenden Störungen zu priorisieren, zu verteilen und zu lösen. Sie wird bei Bedarf erneut einbezogen, um Szenarien hinsichtlich der steuerlichen Behandlung neu zu evaluieren oder die Systemkonfiguration anzupassen.
- Unterstützung der laufenden Geschäftstätigkeit: Die Steuerabteilung reviewt fortlaufend die steuerlichen und regulatorischen Anforderungen und passt Prozesse soweit notwendig an. Sie berücksichtigt auch die (Dis-)Investments von Unternehmen(sgruppen) und deren Auswirkungen auf das ERP-System.

Abbildung von Verrechnungspreis- prozessen in ERP
Die Möglichkeit der Nutzung von ERP-Standardfunktionen für Verrechnungspreisprozesse hängt von den operationellen Anforderungen und dem Verrechnungspreissystem des jeweiligen Unternehmens ab. Die meisten ERP-Systeme bieten keine expliziten Funktionen für Verrechnungspreiszwecke an. Es können jedoch auch ERP-Standardfunktionen, die nicht speziell für Verrechnungspreiszwecke etabliert wurden, für ebenjene genutzt werden. Um diese Funktionen optimal zu nutzen, müssen frühzeitig die Prozessanforderungen und die benötigten Komponenten definiert werden und ggfs. Schnittstellen zu ausgelagerten Kalkulationen etabliert werden.
Sind die ERP-Standardfunktionen nicht ausreichend, um die Verrechnungspreisanforderungen zu erfüllen, müssen Alternativansätze evaluiert und festgelegt werden. Je nach Anforderungen können solche Alternativen spezifische ERP-Add-Ons, dezidierte digitale Tools, ETL (Extract, Transform, Load)-Plattformen oder sogar manuelle Prozesse umfassen.
Bei der Auswahl der geeigneten Lösung stehen die Entscheidungsträger vor der Aufgabe, aus einem vielfältigen Sortiment, welches sich von funktionsreichen, aber kosten- sowie wartungsintensiven Lösungen wie SAP Profitability and Performance Management (PaPM) bis hin zu kostengünstigen Alternativen zur gezielten Teilautomatisierung wie Low-Code-Plattformen erstreckt, den Best-Fit für das eigene Unternehmen zu finden. Die Wichtigkeit einer solchen Entscheidung kann nicht überbewertet werden, denn diese materialisiert sich nicht nur in den Implementierungs- und laufenden Kosten der Lösung, sondern bestimmt auch die Rahmenbedingungen für alle Verrechnungspreisprozesse und Verrechnungspreisfunktionen des Unternehmens in der Zukunft.
Entsprechend muss die Auswahl objektiv und gut fundiert sein, um die perfekte Balance zwischen Funktionalität, Kosten und der Fähigkeit zur Integration in die bestehende Systemumgebung zu bieten. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Verrechnungspreisprozesse nicht nur den regulatorischen Anforderungen entsprechen, sondern auch die Wertschöpfung des Unternehmens maximieren.
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